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Rede
08.11.2007 – Volker Schneider
Verbesserte Beschäftigungssituation Älterer nur eine Seite der Medaille

Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Meckelburg, es wird Sie überraschen, dass ich meine Rede damit beginne, anzuerkennen, dass Menschen über 50 wieder mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Darüber freuen nicht nur Sie sich, sondern auch meine Fraktion. Wir freuen uns über jeden, der länger in Arbeit bleibt. Wir freuen uns über jeden, der über 50 ist und wieder einen Arbeitsplatz findet.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber, Herr Meckelburg, das ist nur ein Teil der Wirklichkeit. Den anderen haben Sie vielleicht aus Zeitgründen ziemlich schnell übergangen. Man könnte auch sagen, dass derzeit mit „verzerrenden Zahlen und Statistiken von interessierter politischer Seite versucht“ wird, den falschen Eindruck zu erwecken, dass sich der Arbeitsmarkt für ältere Arbeitnehmer entspannt habe. Es sollte Sie nicht verwundern, wenn Ihnen dieser Satz bekannt vorkommt. Er steht nämlich in einem Schreiben Ihres Kollegen Laumann an die Bundestagsabgeordneten der CDU/CSU-Fraktion. Ich muss sagen: Wo Herr Laumann recht hat, hat er recht.

(Beifall bei der LINKEN Meckelburg: Genau deswegen muss man darüber reden! Das tun wir momentan!)

Nun zur anderen Seite der Medaille. Fest steht darauf haben Sie hingewiesen, Herr Meckelburg : Die Menschen sind nicht nur länger in Arbeit, sondern auch länger ohne Arbeit. Fest steht: Ab 50 sinkt die Erwerbsbeteiligung kontinuierlich, und der Anteil der Arbeitslosen steigt an. Fest steht: Die steigende Erwerbsbeteiligung ist zu einem guten Teil auf mehr Teilzeitarbeit und geringfügige Beschäftigung zurückzuführen. Fest steht: Nur 24,6 Prozent derjenigen, die in Rente gehen, kommen aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Dieser Anteil sinkt seit über fünf Jahren. Ich weiß nicht, ob das etwas mit der Agenda 2010 zu tun hat. Fest steht: Gerade einmal jeder zehnte 64-Jährige geht einem Beruf nach. Fest steht weiter: Sieben von zehn Menschen verabschieden sich schon vor dem gesetzlichen Zugangsalter von derzeit 65 Jahren in die Rente. Angesichts dieser Realität frage ich Sie, ob es nicht höchste Zeit ist, sich von der Schnapsidee Rente mit 67 zu verabschieden.

(Beifall bei der LINKEN)

Fest steht weiter, dass leider die zukünftige Entwicklung in diesem Bereich mittelfristig eher Risiken als Chancen aufweist. Man kann zur 58er-Regelung stehen, wie man will, aber Fakt ist, dass das Auslaufen dieser Regelung zum Ende dieses Jahres die Arbeitslosigkeit in der genannten Personengruppe stark ansteigen lassen wird. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit nahmen 585 000 Personen im Oktober 2007 diese Regelung in Anspruch, 585 000 Arbeitslose, die bislang als Arbeitslose in der Statistik nicht auftauchen, aber zukünftig dort auftauchen werden.

Fest steht schließlich, dass mit dem Eintritt der geburtenstarken Jahrgänge der 60er-Jahre, der Heraufsetzung des Rentenalters, der Beschränkung von Möglichkeiten des vorgezogenen Rentenzugangs sowie dem Absinken des Rentenniveaus in den nächsten Jahren so formuliert es das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ein enormer Arbeitsangebotsdruck auf dem Arbeitsmarkt entstehen wird. Das heißt, Ältere fliegen wieder früher raus, finden schlechter Arbeit oder werden der Not gehorchend jeden Arbeitsplatz annehmen müssen, egal wie schlecht bezahlt, egal ob nur in Teilzeit.

(Zuruf von der LINKEN: So ist es!)

Wir fordern erstens eine Politik, die diese Tatsachen berücksichtigt. Auch für uns ist erstes und wichtigstes Ziel, die Beschäftigungslage für Ältere auf dem normalen Arbeitsmarkt wirksam zu verbessern. Dafür muss das gesamte Instrumentarium wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen genutzt werden. Dazu gehört aber auch, dass wir vor dem Hintergrund, dass bestimmte Personengruppen auf dem klassischen Arbeitsmarkt weiter chancenlos bleiben werden, für eine öffentlich finanzierte sozialversicherungspflichtige Beschäftigung eintreten.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens müssen wir allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine Chance bieten, auch tatsächlich bis zum Renteneintrittsalter zu arbeiten, egal wie physisch und/oder psychisch belastend ihr Arbeitsplatz auch immer sein mag. Dafür gibt es Konzepte der Förderung in den Betrieben, die wir verbindlich vorschreiben wollen. Schließlich brauchen wir, weil wir trotz aller Prävention nicht verhindern können, dass Menschen aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden müssen, Möglichkeiten des gleitenden Übergangs in die Rente, etwa die Altersteilzeit oder einen erleichterten Zugang zu Erwerbsminderungsrenten.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich weiß, Sie werden unseren Antrag reflexartig ablehnen,
(Uwe Barth (FDP): Aus guten Gründen!)

aber ich hoffe, dass Sie wenigstens feststellen, dass es mehr im Instrumentenkasten politischer Maßnahmen gibt als die wenigen Dinge, die Sie im Moment darin haben, und dass wir darüber eine konstruktive Diskussion führen sollten.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)