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Rede
27.11.2007 – Volker Schneider
Exzellenzen-Leuchtürme können dunkle Flecken in der Bildungspolitik der Bundesregierung nicht überstrahlen

Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Haushaltspolitik der Bundesrepublik, so wie sie sich hier niederschlägt,

(Jörg Tauss (SPD): Ist gut!)

ist doch im Wesentlichen durch zwei Merkmale gekennzeichnet. Einerseits spendieren Sie Ihren Leuchttürmen neue starke Lichtanlagen, damit diese möglichst weit und hell strahlen können.

(Ulla Burchardt (SPD): Das ist besser, als im Dunkeln zu tappen!)

Andererseits drehen Sie den Dörfern rund um diese Leuchttürme die Beleuchtung auf Sparflamme. Im Großen und Ganzen scheinen Sie zu hoffen, dass die Einwohner schon froh darüber sein werden, dass sie ab und zu ein besonders helles Licht streift.

Dabei ist die Exzellenz nur eine Zielsetzung Ihrer Hochschulpolitik, wie Sie sie im Koalitionsvertrag beschreiben. Ich kann Ihnen bestätigen: Sie leisten ganze Arbeit. Sie wenden immer mehr Milliarden Euro für die von Ihnen bevorzugten elitären Projekte wie Exzellenzwettbewerb, Pakt für Forschung und Innovation, Hightechstrategie und wie sie alle heißen auf. Außerhalb des gleißenden Lichts dieser Leuchttürme liegen die Hochschulen eher im trüben Licht bildungspolitischer Sparflammen. Angesichts der bescheidenen Mittel für die Kompensationaufgabe Hochschulbau und Hochschulpakt muss von einer Unterfinanzierung der Hochschulen gesprochen werden.

(Klaus Hagemann (SPD): Das ist doch Ländersache!)

Meine Kollegin Hirsch wird auf diesen Bereich noch detaillierter eingehen.

Ich will in diesem Zusammenhang nur einen Aspekt ansprechen. Von den zehn besten Universitäten dieser Welt, so sagt man, stehen die meisten in den USA; die meis-ten der 500 schlechtesten allerdings auch. Um hier aufzuschließen, sind wir wirklich auf einem guten Weg. Das meine ich allerdings leider eher für die Breitenwirkung Ihrer Politik.

Wie diese konkret wirkt, konnte man im März dieses Jahres im Politmagazin „Monitor“ unter dem Titel „Wie an deutschen Hochschulen für 1 Euro geforscht und ohne Lohn gelehrt wird“ bewundern. Während auf der einen Seite für die Spitzenforscher nichts zu schade ist, wird auf der anderen Seite Forschung und Lehre von einem immer größeren Teil prekär Beschäftigter geleistet. Beschäftigte müssen in befristeten Stellen nach Angaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, GEW, sind es zwischenzeitlich 70 Prozent nebenberuflich und zu Löhnen, die berücksichtigt man Vor- und Nachbereitungszeiten unter denen angelernter Arbeiter liegen, der Lehre und Forschung dienen.

Dabei markieren diese nicht einmal das untere Ende der Skala. Dort finden wir die akademischen Sklaven, die als 1-Euro-Jobber zum Einsatz kommen oder die als Privatdozenten und außerplanmäßige Professoren zur unentgeltlichen Lehre verpflichtet sind, um ihren Status nicht zu verlieren, weil sie nur so eine Chance haben, auf eine Professur berufen zu werden. So also sieht es aus, wenn Sie im Koalitionsver-trag versprechen:

Wir wollen junge Talente und Nachwuchswissenschaftler fördern und ihnen Karriereperspektiven eröffnen. Die Besten aus aller Welt müssen in Deutschland attraktive Studien- und Arbeitsbedingungen vorfinden.

Sie reden von Wettbewerb und stören sich nicht daran, dass die Hochschulen diesen auf dem Rücken der Beschäftigten austragen.

(Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): Pfui!)

Sie versprechen mehr Autonomie und Freiheit für die Hochschulen und sehen weg, wenn diese Freiheit dafür genutzt wird, dass Stellen nicht neu besetzt werden, Per-sonal abgebaut wird, Löhne gedrückt und Tarife unterlaufen werden. Das ist die andere Seite Ihrer schönen neuen Welt der Leitbilder für das Hochschulwesen der Zu-kunft, die Sie in Ihrem Koalitionsvertrag propagieren.

Lassen Sie mich noch kurz auf einen zweiten Bereich eingehen, in dem bei Ihnen Anspruch und Wirklichkeit deutlich auseinanderklaffen.

Wir wollen mittelfristig die Weiterbildung zur 4. Säule des Bildungssystems machen und mit bundeseinheitlichen Rahmenbedingungen eine Weiterbildung mit System etablieren.

Das schreiben Sie in Ihrem Koalitionsvertrag. So wie ich das sehe, sind Sie bei diesem Projekt bis heute nicht aus den Startlöchern gekommen. Schlimmer noch, Sie sind nicht einmal an den Start gegangen. Wahrscheinlich sitzen Sie noch immer in der Umkleidekabine. Ich befürchte, dort werden Sie bis zum Ende der Legislaturperiode nicht rauskommen.

Ich will mir ersparen, hier einmal mehr die Daten und Fakten anzusprechen, die zeigen, wie sehr wir im Weiterbildungsbereich international hinterherhinken. Ich will mir auch ersparen, erneut zu belegen, in welch hohem Maße die soziale Herkunft für die Inanspruchnahme von Weiterbildung und für den Umfang, in dem Teilnehmer von dieser Weiterbildung profitieren können, wesentlich ist.

Es ist wie immer. “The same procedure as last year”, könnte man frustriert feststellen. Lesen Sie doch einmal im Berichtssystem Weiterbildung. Nicht nur die Teilnah-mequoten gehen zurück. Auch der Durchschnittswert der für berufliche Weiterbildung aufgewendeten Zeit sinkt deutlich. Es erscheint durchaus plausibel, dass die Kombi-nation aus einer verstärkten Sparpolitik öffentlicher Haushalte und des gestiegenen Kostendrucks in den Betrieben zu weniger förderlichen Rahmenbedingungen für eine Expansion der formal organisierten beruflichen Weiterbildung geführt hat.

Reicht Ihnen das nicht als Hinweis darauf, dass die Weiterbildung Opfer des öffentlichen Spardrucks ist? Ich kann an Ihrem Haushalt nicht erkennen, dass Sie daran irgendetwas ändern wollen. Weder versuchen Sie, die Fördermöglichkeiten beim Meister-BAföG auf weitere Personenkreise auszuweiten, noch heben Sie die Ausga-ben für die berufliche Weiterbildung im Einzelplan 30 an. Auch an der Weiterbildungspolitik der Bundesagentur für Arbeit, welche seit Jahren einer beispiellosen Mittelkürzung ausgesetzt ist, wird nichts geändert, obwohl die Teilnehmerzahl zwischen 2001 und 2006 von 350000 auf 120000 Personen gesunken ist.

Stattdessen veranstaltet Frau Schavan eine Pressekonferenz, auf der sie eine Qualifizierungsorientierung verspricht, die konkret so aussieht, dass Haushaltsposten neue Namen bekommen und die Mittel für Weiterbildung unter der neuen Überschrift „Stärkung des Lernens im Lebenslauf“ von 40 Millionen Euro auf 25 Millionen Euro gekürzt werden. Das versteht kein Mensch mehr. Das Absurdistan Ihrer Weiterbil-dungspolitik tragen wir Linken nicht mit.

Ich komme zum Schluss. Sie werden Ihre Leuchttürme nicht so hell erstrahlen lassen können, dass sie die großen, hässlichen Flecken Ihrer Bildungspolitik überstrahlen. Jeder noch so kleinen und noch so vernünftigen Änderung des Haushalts haben Sie Ihre Zustimmung verweigert.

Wir, die Linke, werden diesem Haushalt daher nicht zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN)