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Rede
06.07.2007 – Volker Schneider
Lebensstandardsicherung in der gesetzlichen Rente wieder herstellen

Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Rentenpolitik in den letzten 15 Jahren heißt im Ergebnis: zusätzliche Lasten für Arbeitnehmer und zukünftige Rentnergenerationen, Entlastung der Arbeitgeber.

(Jörg Tauss [SPD]: Und Sicherung der Renten!)

Das wird langfristig einschneidende Folgen für Einkommen und Vermögen der zukünftigen älteren Generationen haben.

Berechnungen prognostizieren selbst unter der Annahme ununterbrochener Erwerbsverläufe und unter voller Ausnutzung der Fördermöglichkeiten ein sinkendes Niveau des Nettoeinkommens im Alter, sodass aufgrund einer zunehmenden Einkommensungleichheit ein steigendes Armutsrisiko im Alter befürchtet werden muss.

Dieser Satz entstammt nicht etwa meiner Feder, er ist dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD zum Altenbericht entnommen.

(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Hört! Hört!)

Das ist ein bemerkenswerter Erkenntniszuwachs, wodurch die Frage der Sicherheit von Renten, lieber Kollege Tauss, ein wenig relativiert wird.

(Jörg Tauss [SPD]: Wir haben ja gehandelt!)

Um die Dramatik dessen deutlich zu machen, was sich da anbahnt: Auch wer ein Leben lang gearbeitet und dabei die Riesterförderung ausgeschöpft hat, ist deshalb noch lange nicht zwingend vor Armut im Alter geschützt. Wer aktuell mit 45 Beitragsjahren in Rente geht und sein Leben lang immer Durchschnitt verdient hat - für 2007 wurde das Durchschnittsentgelt in der Rentenversicherung vorläufig auf 2 457 Euro festgesetzt -, würde als Mann im Westen aktuell eine Rente von immerhin noch 1 061 Euro erhalten. Um eine Rente auf dem Niveau der Grundsicherung zu erhalten - da wären, Miet- und Heizkosten eingerechnet, aktuell 664 Euro anzusetzen -, müsste der gleiche Rentner 28 Beitragsjahre nachweisen können. Dank fortgesetzten Reformmurkses werden dies künftig 37 Jahre sein.

Wer von einer Dreiviertelstelle, also einem Einkommen von 1 843 Euro leben muss, würde dieses Grundsicherungsniveau, selbst wenn er ununterbrochen arbeiten würde, erst nach 48 Beitragsjahren erreichen. Nur am Rande sei erwähnt, dass eine Verkäuferin im Einzelhandel in NRW bei Vollzeitbeschäftigung zwischen 1 411 und 2 006 Euro verdient. Wie es mit deren Rentenansprüchen aussieht, lässt sich leicht ausrechnen.

Das Vertrauen der Menschen in die gesetzliche Rentenversicherung haben Sie mit einer solchen Politik gründlich zerstört. Im Januar dieses Jahres hatten laut Allensbach 88 Prozent der Bevölkerung kein oder wenig Vertrauen in die Zukunft der gesetzlichen Rente. Leider ist das nicht nur ein ungutes Gefühl, sondern entspricht harten Daten und Fakten. Die Politik hat sich von dem Ziel, den Menschen im Alter ein Leben in Würde zu ermöglichen, verabschiedet. Für uns Linke ist das ein Skandal.

(Beifall bei der LINKEN)

Stattdessen lautet der einzige handlungsleitende Grundsatz: Die Beiträge zur Rentenversicherung sollen aktuell nicht über 20 Prozent und im Jahr 2030 nicht über 22 Prozent steigen. 1992 ging man davon aus, dass es für die Sicherung eines angemessenen Rentenniveaus ab dem Jahr 2040 eines Beitragssatzes in Höhe von 26 bis 28 Prozent bedürfe. Seinerzeit war die Politik der Auffassung, dass dies Arbeitnehmern wie Arbeitgebern zugemutet werden könne. Die Linke vertritt auch heute diese Auffassung.
Kollege Stiegler hat die Linke gestern hier im Haus heftig dafür angegriffen und dabei zumindest nicht dem Eindruck entgegengewirkt, wir wollten Arbeitgeber und Arbeitnehmer stärker belasten. Das ist natürlich schlicht ein Schmarren; denn die Arbeitnehmer zahlen bereits heute und nicht erst 2030 9,95 Prozent für die Rentenversicherung und nach Abzug der staatlichen Förderung weitere 3 Prozent für die Riesterrente. Im Jahr 2030 werden es 11 Prozent plus 3 Prozent sein. Das macht 14 Prozent. Dabei ist noch nicht einmal berücksichtigt, dass sie, weil sie künftig ein deutlich niedrigeres Rentenniveau erwarten müssen, weitere 3 Prozent für die private Vorsorge aufbringen müssen. Insgesamt sind das also 17 Prozent. Die Arbeitnehmer würden durch unsere Forderungen also nicht belastet, sondern entlastet.

Richtig ist: Wir wollen die Parität wiederherstellen. Das würde die Arbeitgeber belasten, weshalb Herr Stiegler gleich wieder 1 Million Arbeitsplätze in Gefahr sieht. Die Frage der Lohnnebenkosten wird da wieder bemüht. Ich möchte das ganz kurz an einem Beispiel aus einer arbeitsintensiven Branche verdeutlichen: Bei uns im Saarland verdient ein Heizungsinstallateur aktuell 10,97 Euro pro Stunde. Die Lohnzusatzkosten würden bei einem Anstieg des Beitrags auf 28 Prozent im Vergleich zu einem Anstieg auf 22 Prozent - dieser Beitragssatz ist in Ihren Modellen angedacht - um 49 Cent höher liegen. Der Ehrlichkeit halber rechnen wir 14 Cent für die unproduktiven Zeiten wie Urlaub usw. hinzu. Zusammen macht das also 63 Cent. Herr Stiegler behauptet also, dass aufgrund dieser 63 Cent 1 Million Arbeitsplätze verloren gehen würden.

Ich mache folgendes Gegenbeispiel auf: Der Lohn für die Handwerkerstunde liegt nach Berücksichtigung des Gewinnzuschlags und der allgemeinen Geschäftskosten ohne Umsatzsteuer bei 40 Euro. Vor der Mehrwertsteuererhöhung kostete die Handwerkerstunde 46,40 Euro, jetzt kostet sie 47,60 Euro. Das ist eine Differenz von 1,20 Euro. Nach der simplen Logik von Herrn Stiegler entspricht das rund 2 Millionen zusätzlicher Arbeitsloser.
Das Problem ist also nicht, dass wir uns höhere Renten nicht erlauben können, sondern dass wir sie politisch nicht wollen. Die Linke will höhere Renten.

(Beifall bei der LINKEN)